Von Alf Arnold Rosenkranz, Geschäftsführer Alpen-Initiative
Die Verlagerungspolitik befindet sich in einer sehr heiklen Phase. Wird heute nicht gehandelt, so droht ein grösserer Rückschlag. Der Bundesrat und das Parlament sind gefordert, kräftig Gegensteuer zu geben.
Der neue Verlagerungsbericht ist fast so etwas wie die lang erwartete, ehrliche Beichte… Wie die Alpen-Initiative schon vor Jahren gefordert hat, ist nun eine externe Evaluation der Verlagerungspolitik durchgeführt worden, die massgeblich zur offenen Neubeurteilung beigetragen haben dürfte.
Der Bundesrat gibt zu, dass nur die Alpentransitbörse die Verlagerung zum Ziel bringen kann. Er gibt zu, dass ohne weitere Massnahmen auch das Zwischenziel von 1 Mio. Fahrten im Jahr 2011 nicht erreichbar ist. Er gibt zu, dass die LSVA die negative Wirkung der erhöhten Gewichtslimite nicht vollständig kompensiert hat und von dort keine weitere Verlagerungswirkung zu erwarten ist. All das hat die Alpen-Initiative schon lange gesagt.
Eine separate Studie zeigt auch, dass der Lötschberg-Basistunnel keinen signifikanten Verlagerungseffekt hatte. Der Bundesrat stimmt deshalb auch den Grundaussagen unserer Studie über die zu erwartende bescheidene Verlagerungswirkung des Gotthard-Basistunnels zu.
Der Verlagerungsbericht hält auch fest, dass vom laufenden Zahlungsrahmen von 2,8 Milliarden Franken zur Unterstützung des Eisenbahngüterverkehrs bis zum Auslaufen Ende 2010 voraussichtlich 600 Mio. Franken nicht ausgeschöpft werden. Auch die für Terminalbauten eingestellten Gelder wurden nur zu 50% abgeholt, was aber offenbar eher technische Ursachen hatte.
Wichtig ist auch: Es gibt vorläufig offenbar noch genügend Schienenkapazitäten auf der Nord-Süd-Achse: Die heutigen Schienenkapazitäten für den Güterverkehr wurden 2008 durchschnittlich nur zu 66% genutzt, auch wenn zu gewissen Zeiten gelegentlich Engpässe auftauchten.
Beunruhigend, aber auch nicht überraschend, sind die Aussagen zur gegenwärtigen Konjunkturkrise: Sie könnte den Modalsplit nachhaltig zum Nachteil der Schiene verändern. Zum einen hat die Bahn sehr viel mehr Verkehr verloren als die Strasse (im ersten Semester 2009 24% gegen 14% auf der Strasse), zum andern ist sie erfahrungsgemäss beim nächsten Aufschwung wegen ihrer eingeschränkten Flexibilität weniger schnell wieder im Geschäft.
Und was sind die guten Vorsätze des Bundesrates?
Der Bundesrat will zusätzliche Massnahmen prüfen: Intensivierung der int. Zusammenarbeit unter Einbezug von Akteuren aus Politik, Forschung und Transportwirtschaft; Erstellung eines Masterplans, evt. mit Selbstverpflichtung der Akteure; Fahrverbote für gewisse Fahrzeugklassen und bestimmte Güter. Hauptinstrument bleibt aber die Alpentransitbörse, die in ein umfassendes und nachhaltiges Verlagerungskonzept eingebunden werden soll. Diesen Vorschlägen können wir zustimmen, wenn sie tatsächlich umgesetzt werden. Auch die internationale Einbettung der Alpentransitbörse ist sinnvoll, soll aber nicht dazu dienen, die Realisierung endlos zu verzögern.
Aus unserer Sicht könnten kurzfristig folgende Instrumente ergänzt werden, um das Zwischenziel 2011 zu erreichen:
Das Dosiersystem am Gotthard muss verschärft werden. Werden die Lastwagen als 4 statt nur als 3 PW-Einheiten gerechnet, sinkt die Zahl der LKW und gleichzeitig erhöht sich die Sicherheit im Gotthardtunnel (die Erfahrungen zeigen, dass eine höhere Sicherheit im Tunnel über ein strengeres Management des LKW-Verkehrs erreicht werden kann).
Der Bundesrat soll einen allfällig negativen den Entscheid des Bundesgerichts nicht passiv abwarten, sondern schon jetzt Ausgleichsmassnahmen an die Hand nehmen. Die externen Kosten des Strassengüterverkehrs als Basis für die LSVA sind unverzüglich neu zu berechnen. Durch Anrechnung von mehr Kostenelementen (insb. beim Klima) und der Teuerung kann die bereits einmal beschlossene Erhöhung begründet werden, so dass das entstandene Loch bei den LSVA-Einnahmen wieder gestopft werden kann.
Der Zahlungsrahmen 2000-2010 ist für Investitionsbeiträge zu öffnen. Die Bahnen neigen in der Wirtschaftskrise dazu, alle augenblicklich überzähligen Kostenfaktoren abzustossen und die Preise zu erhöhen (!). Die abgestossenen Betriebsmittel werden ihnen beim Wiederaufschwung fehlen – und wegen den erhöhten Preise möglicherweise auch die Kunden. Der Bund kann ihnen helfen, sich rechtzeitig für den Wiederaufschwung bereit zu machen.
Aus dem Zahlungsrahmen sind – soweit nötig – auch Infrastrukturinvestitionen von ZEB vorzufinanzieren.
Bern / Altdorf, 11.2.10