17. August 2009

Mit dieser Frage beschäftigt sich eine neue Publikation der Europäischen Kommission. Ein Grossteil der Lärm- und Schadstoffbelastung stammt aus dem Verkehr, auch die CO 2-Emissionen wachsen in diesem Sektor überproportional. Die Europäische Kommission anerkennt dies, schweigt sich aber über konkrete Massnahmen aus.

ta. Mit dem Zukunftspapier bereitet das Generaldirektoriat Verkehr der EU-Kommission ein neues Weissbuch fürs Jahr 2010 vor. Als Hauptherausforderung im nächsten Jahrzehnt werden die älter werdende Gesellschaft, die Zuwanderung und die interne Mobilität bezeichnet, ebenso der Klimawandel, die Verknappung fossiler Brennstoffe sowie die Verstädterung und Globalisierung. Die Publikation stiess bei ihrer Veröffentlichung auf viel Kritik: Umweltorganisationen reagierten schockiert und enttäuscht. Falls die zukünftige EU-Verkehrspolitik so unambitioniert sei, dann werde das «grosse Probleme» bereiten, erklärte beispielweise der Europäische Dachverband für Verkehr und Umwelt T&E. Die NZZ kommentierte, der verkehrspolitischen Strategie der EU drohe die Beliebigkeit, und Zielkonflikte würden ausgeblendet. Selbst Vertreter des Generaldirektoriats Umwelt der EU-Kommission – derselben Behörde zugehörig wie die Autoren – distanzierten sich vom Bericht.

Fehlende Massnahmen gegen den Klimawandel
Das Zukunftspapier hält zwar fest, dass «die Umwelt der wichtigste Politikbereich ist, auf dem weitere Verbesserungen notwendig sind» und dass in keinem anderen Wirtschaftssektor der EU der Anstieg der Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Niveau von 1990 so hoch wie im Verkehrssektor war. Auf die ambitionierten Klimaziele der EU und dass diese auch für den Verkehrsbereich gelten sollen, wird hingegen kaum eingegangen. Die Umweltorganisationen fordern hier umfassende Gegenmassnahmen. Nur CO2-effizientere Motoren allein werden nicht ausreichen. Es sei besorgniserregend, so die Umweltorganisationen, dass zurzeit trotz akutem Handlungsbedarf selbst notwendige und seit Jahren untersuchte Massnahmen wie die Kosteninternalisierung nur halbherzig verfolgt würden. Gehe dies so weiter, könnten die Klima-Reduktionsziele bei weitem nicht erreicht werden.

Keine innovativen Perspektiven
Die Kommission stellt in ihrem Papier fest, «dass bei der Verlagerung von Verkehrsaufkommen auf effizientere Verkehrsträger (…) nur begrenzte Fortschritte zu verzeichnen waren». Es bleibt bei dieser Feststellung, es werden auch hier keine Überlegungen angestellt, wie dies geändert werden könnte, obwohl bereits taugliche Vorschläge gemacht worden sind. So wäre etwa die von der Alpen-Initiative vorgeschlagene Alpentransitbörse ein effizientes und zielführendes Instrument – das haben die Verkehrsminister der Alpenländer vor kurzem festhalten. Im Kommissionspapier werden aber auch Nachfragemanagement-Systeme im Verkehr nicht erwähnt. Anscheinend gehen die Autoren des Papiers davon aus, dass der Verkehr unbegrenzt wachsen kann. Doch selbst ein Fahrzeug, das ohne Emissionen funktionieren würde, benötigte Raum, und dieser ist zunehmend begrenzt. In den Städten und in den ökologisch besonders sensiblen Bergtälern sind die Kapazitätsgrenzen teilweise schon erreicht. Ein ständiges Wachstum würde also schon alleine deshalb die Regionen überfordern, weil Parkplätze und Strassen nicht einfach endlos ausgebaut werden können.

Betroffene Bürger nicht gefragt
Nachdem der bisherige Prozess zur Aus­arbeitung des neuen Weissbuchs Verkehr wenig transparent und ausgewogen ablief – an der entsprechenden Konferenz waren in erster Linie Industrievertreter anwesend –, soll jetzt im Nachhinein noch die Bevölkerung miteinbezogen werden. Bis Ende September läuft die entsprechende Konsultation. Bis jetzt hat sich die europäische Verwaltung vor mutigen Schritten gefürchtet. Vielleicht aber wird sie jetzt durch eine rege Bürgerbeteiligung zu ­konkreten Massnahmen ermutigt.