2016/17 geht der Gotthard-Basistunnel in Betrieb. Spätestens dann muss die Alpentransitbörse funktionieren, damit die Verlagerung der Güter auf die Schiene zwei Jahre später abgeschlossen ist. Das Volk steht nach wie vor klar hinter der Verlagerungspolitik, wie eine Umfrage der Alpen-Initiative gezeigt hat – wir bleiben hartnäckig.
aa. Der grosse Rummel um den Gotthard-Basistunnel ist vorbei, die feierlichen Reden sind verklungen. Im Halbdunkel der 57 Kilometer langen Röhre zwischen Erstfeld und Bodio sind die Mineure, Handwerker und Ingenieure wieder an der Arbeit. Es gibt noch viel zu tun, bis 2016/17 die ersten Züge fahrplanmässig durch das neue Weltwunder rollen. Erst im Frühling 2011 wird auch die zweite Röhre durchgehend offen sein. Aber es gibt keinen Zweifel mehr, der Tunnel wird genauso wie der «nur» 34 Kilometer lange Lötschberg-Basistunnel in Betrieb gehen, möglicherweise sogar ein Jahr früher als angekündigt.
Neue Kapazitäten, mehr Produktivität…
Der Ball liegt jetzt wieder bei der Politik. 1999 hatte das Parlament beschlossen, dass die Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs auf die Schiene bis zwei Jahr nach Inbetriebnahme des Lötschberg-Basistunnels abgeschlossen sein soll. 2008 hat es die Frist aufgeschoben auf zwei Jahre nach Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels. Spätestens dann darf es keine Ausrede mehr geben! Zusammen mit dem Lötschbergtunnel wird die Flachbahn am Gotthard die Kapazitäten für den alpenquerenden Schienenverkehr gewaltig erhöhen und den Betrieb vereinfachen.
Doch auch dies genügt nicht, um die Güter auf die Schiene zu bringen. Auf den Zulaufstrecken zwischen Basel und Erstfeld bzw. Bodio und der Südgrenze müssen noch einige hundert Millionen in relativ kleine Projekte mit grosser Wirkung investiert werden. So kann die Kapazität der Gotthard-Achse bis zur Eröffnung des Ceneri-Basistunnels 2019 von 160 auf 260 Trassen pro Tag und von 22 auf 36 Millionen Tonnen pro Jahr gesteigert werden. Allein damit könnte die gesamte auf der Strasse transportierte Gütermenge aufgenommen werden! Das Güterverkehrsverlagerungsgesetz verlangt jedoch nur einen Abbau um zirka die Hälfte auf maximal 650’000 Lastwagen pro Jahr.
… aber auch Lenkungsmassnahmen
Gefordert sind jetzt aber vor allem Bundesrat und Parlament. Sie haben dafür zu sorgen, dass die Güter nicht allen Investitionen zum Trotz auf der Strasse bleiben. Die vom Basistunnel bewirkte Rationalisierung und Kostensenkung allein machen die Schiene kaum attraktiver, zu klein ist die Strecke im europäischen Güterstrom. Deshalb braucht es eine Alpentransitbörse!
Es liegt am Bundesrat, diese mit den Nachbarländern und der EU auszuhandeln, und es liegt am Parlament, die nötigen Gesetzesanpassungen vorzunehmen. Soll die Verlagerung 2019 abgeschlossen sein, so muss die Alpentransitbörse spätestens bei der Inbetriebnahme des Gotthardtunnels funktionieren. Besser wäre, die Börse würde bereits früher die Zahl der Lastwagenfahrten über die Alpen begrenzen. Die Wirtschaft hätte dann genug Zeit, um sich der neuen Situation anzupassen.
Grafik: Alpen-Initiative, Scriptum
Drei Viertel wollen die Verlagerung
Eine von der Alpen-Initiative beim Institut LINK in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage zeigt klar: Das Schweizer Volk steht nach wie vor hinter der Verlagerungspolitik. 79 Prozent unterstützen die Forderung, dass der alpenquerende Güterverkehr spätestens mit der Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels auf die Schiene verlagert werden muss. Befragt wurden 1211 Personen aus allen Landesteilen. Die Umfrage fand in der ersten Oktoberhälfte statt. Am stärksten ist die Unterstützung im Tessin mit 90 Prozent (Westschweiz 76%, Deutschschweiz 79%). Je höher das Alter und die Schulbildung der Befragten, desto höher die Zustimmung. Aber auch die 15 bis 29 Jahre alten Personen stimmten mit 69 Prozent zu, bei den Personen mit Grundschulbildung sind es 68 Prozent.
Die Umfrage zeigt weiter, dass 67 Prozent sogar ein totales Lastwagenfahrverbot im Gotthard-Strassentunnel befürworten würden, wenn den Lastwagen eine Transportmöglichkeit durch den neuen Eisenbahn-Basistunnel angeboten wird. Am stärksten ist die Zustimmung auch hier im Tessin (84%), bei den höher Gebildeten (73%) und bei den über 30 Jahre alten Personen. Die Alpen-Initiative schlägt deshalb vor, im Gotthard-Basistunnel eine Rollende Landstrasse für Lastwagen einzurichten.
Drei Züge pro Stunde und Richtung sind nötig, um die rund 500’000 Lastwagen zu befördern, die gemäss Güterverkehrsverlagerungsgesetz zukünftig noch auf der Strasse durch den Gotthard rollen dürfen (650’000 sind es inklusive San Bernardino, Simplon und Grosser St. Bernhard). Für die AutomobilistInnen hätte das Konzept klare Vorteile. Die Sicherheit im Gotthard-Strassentunnel und auf den Rampen würde massiv erhöht, das Dosiersystem, das die Tunnelkapazität aus Sicherheitsgründen künstlich beschränkt, könnte aufgehoben werden, die Staus würden seltener. Der übrige Zugsverkehr hätte darunter nicht zu leiden, denn für diesen steht neben dem Basistunnel nach wie vor die Bergstrecke zur Verfügung. Je nach Fahrplangestaltung müssten null bis drei leichtere Güterzüge über die Bergstrecke geleitet werden, wie dies heute auch am Lötschberg praktiziert wird. Selbst ein Halbstundentakt von Personenzügen könnte im Basistunnel angeboten werden.
Grössere Tunnels?
aa. Bis zum 15. Oktober machte das Strassentransportgewerbe die Verlagerungspolitik mit dem Hinweis auf die angeblich fehlenden Schienenkapazitäten schlecht. Inzwischen ist der Gotthard-Basistunnel durchbrochen. Und schon hat das Transportgewerbe eine neue Ausrede gefunden. Die Tunnels auf den Zulaufstrecken seien um 20 Zentimeter zu niedrig. Die Aussage ist zwar korrekt, wenn man die 4 Meter hohen Anhänger von Sattelschleppern in so genannten Taschenwagen transportieren will. Doch nirgends steht, dass die Güter auch auf der Schiene in Sattelanhängern transportiert werden müssen. Für Container und für traditionelle Wagenladungstransporte gibt es schon heute kein Eckhöhenproblem. Trotzdem findet die Alpen-Initiative die Anpassung der Tunnelprofile auf den Zulaufstrecken sinnvoll (auf der Lötschberg-Simplon-Achse bestehen diesbezüglich keine Probleme). Als Nebeneffekt würde die Gotthard-Achse auch für Doppelstock-Personenzüge befahrbar.
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